Die Haut als psychische Hülle
Burkhard Brosig (Autor), Uwe Gieler (Hrsg.)
Psychosozial-Verlag, 24,90 Euro
Kurzbeschreibung bei Amazon:
Klinische Tiefe, exzellente Falldarstellungen, Integration der Lacanianischen Theorie in das Verständnis psychosomatischer Prozesse, »update« zu neuen Strömungen in der Psychoanalyse
(Objektpsychoanalyse, Lacan-Schule, Selbstpsychologie) Luzide Falldarstellungen werden anspruchsvoll mit neuester klinischer Theorie umrahmt. Der Leser findet Anregungen, die Psychosomatik der
Haut neu zu durchdenken.
Pressestimmen
Als 1991 die deutsche Übersetzung des Haut-Ich von Didier Anzieu erschien, sorgte sie zu Recht für Aufsehen. Der Verfasser bezog sich einleitend auf die Zunahme von psychischen
Erkrankungen bei denen, wie etwa bei narzißtischen oder Borderlinestörungen, eine »Ungewißheit gegenüber psychischen Grenzen«, sowie »mangelnde Abgrenzung zwischen Selbst- und Fremdbestimmung«
bestünde, weiterhin »überstarke Verletzlichkeit« (»dünne Haut«), die Verwechslung innerer und äußerer Einflüsse sowie das Gefühl, »nicht wirklich bei sich zu sein«. Anzieu beschrieb damit auch
den konzeptuell fruchtbaren Gedanken eines von ihm später als »psychischen Hülle« gefaßten klinischen Konzepts: »ein Bild, mit dessen Hilfe das Ich des Kindes während früher Entwicklungsphasen
ausgehend von seiner Erfahrung der Körperoberfläche - eine Vorstellung von sich selbst entwickelt als Ich, das psychische Inhalte enthält« (Anzieu, Frankfurt/M. 1991, S. 60; vgl. Benthien, S.
218, im hier besprochenen Buch). Der Begriff der »psychischen Hülle«, im vorgestellten Buch weiter ausgeführt, bezieht sich also auf das psychophysische Erlebnis äußerer Grenze und des
»Umschließenden«, ein Erleben, das in früher Kindheit entscheidend durch die Mutter, durch ihr Halten, ihre Berührung des Kindes also durch das »Containen« (Bion) gefördert wird. Die Metapher
»Haut-Ich« bietet sich damit zur Verwendung auch im theoretischen und klinischen Bereich der Psychoanalyse und Psychosomatik an und wird von den Herausgebern, dem Psychoanalytiker Burkhard Brosig
und dem Dermatologen und Psychotherapeuten Uwe Gieler, durch ihre Auswahl der Aufsätze weiter aufgefaltet. Dabei haben frühe Entwicklungsstadien und deren Störungen folgerichtig ein besonderes
Gewicht. Die theoretischen Beiträge beginnen mit Anzieu selbst. Er benutzt in diesem Zusammenhang den Begriff des »signifiant formel« und verdeutlicht ihn u. a. durch die Aussage einer Patientin,
die die Art ihrer Beziehung (angelehnt an Einstein) mit einem »gekrümmten Lichtstrahl« vergleicht - damit also ein Bild für eine Beziehung findet, die seltsam indirekt bleiben muß. D. Houzel und
A. Anzieu befassen sich in ihren Beiträgen u. a. mit den frühen Wurzeln der Ich- bzw. in heutiger Terminologie Selbstentwicklung. Bei einem Mißlingen greifen Patienten häufig zur Notlösung einer
»zweiten Haut«, die sowohl mit Winnicotts »Falschem Selbst« als auch mit der »Als-ob-Persönlichkeit« von Deutsch zu vergleichen ist. Diese Autoren finden u. a. in ihren Fallbeschreibungen
bildhafte Metaphern, die dem frühen Erleben nahe kommen. (Psyche, Januar 2006 60.Jg.)