Zeichen der Misshandlung: Der Fall Nicole Simpson


Nicole Brown Simpson ohne Wunden
So präsentierte sie sich der Öffentlichkeit: mit perfekt durchtrainiertem Körper und einer dicken Schicht Makeup im Gesicht.

Nicole Brown Simpson war die erste Prominente, bei der Skin Picking bekannt wurde. Allerdings zu spät: als sie schon tot war, im Mordverfahren gegen ihren Ex-Mann, den ehemaligen Footballer und Schauspieler O.J. Simpson.

 

Diesen Text habe ich auf der Webseite "stoppickingonme.com" (siehe Linkliste) gefunden und übersetzt:

 

Im Sommer 1994 geschah einer der grausigsten und zugleich bestpublizierten Doppelmorde in der Geschichte der USA. Nicole Brown Simpson und ihr Freund Ronald Goldman wurden brutal niedergemetzelt auf dem vorderen Rasen ihrer eleganten, teuren Wohnanlage – nur ein paar Meilen entfernt von der weltberühmten Glanz- und Glamourmetropole Hollywood.

 

Obwohl er in einem Strafverfahren und in einem Zivilprozess des Doppelmordes angeklagt worden war, wurde ihr Ex-Ehemann, der Footballspieler und Schauspieler O.J. Simpson,  freigesprochen. Im Zivilverfahren wurde er als verantwortlich für die beiden Tode befunden und zu einer Geldstrafe verurteilt.

 

Während das ganze Land gefesselt war von den juristischen Winkelzügen des Verfahrens, war doch eine der größten Überraschungen diese Enthüllung: Die schöne, charmante Miss Simpson lebte offenbar ein qualvolles Leben, voll mit Selbstzweifeln, Unsicherheiten und häuslichem Missbrauch. Sie durchlief die ganze Skala von körperlicher Gewalt über verbale bis hin zu emotionaler Gewalt.

Berichterstattung im People Magazine
Berichterstattung im People Magazine

Warum fängt jemand überhaupt an, seine Haut zu zupfen?

Viele Menschen, die an zwanghaften Haut-Zupfen leiden, machen es als eine Art Verteidigungsmechanismus gegen Belästigungen und Schikane durch andere – zum Beispiel Mitschüler, Eltern oder Ehepartner. Andere erfahren Skin Picking als einen Akt der Aggression gegen sich selbst.

 

Oft ist es schwer zu sagen, ob der Patient Täter oder Opfer ist.

 

Glücklicherweise erleben wir ein wachsendes Interesse, diese Störung zu verstehen und behandeln. Mehrere Behandlungsmöglichkeiten werden entwickelt. Aber es existiert immer noch viel mehr Ungesagtes und sogar Unentdecktes über diesen entstellenden und gefährlichen Zwang.

 

Aufgrund meiner Recherche habe ich herausgefunden, dass es nicht ungewöhnlich für „Zupfer“ ist, in einem gewissen Lebensabschnitt den gemeinsamen „Missbrauchs-Strang“ zu teilen. Das passiert eher den Menschen, die schon einmal missbraucht worden sind, als solchen, denen das nicht passiert ist. Manchmal ist der missbrauchende Partner hinterlistiger als der typische körperliche Gewalttäter. Emotionaler Missbrauch, bei dem die Selbstwertschätzung regelmäßig übel zugerichtet wird, kann genauso schädlich sein für die Selbstwertschätzung. Und sogar wenn ein „Picker“ den Partner verlässt, der ihn misshandelt hat, kann es vorkommen, dass er sich weiterhin selbst misshandelt.

 

Nicole war Opfer von ehelicher Gewalt. Und gleichzeitig war sie Opfer ihrer Selbstmisshandlung und ihr Partner hat nichts unternommen, um das zu ändern.

 

Der Gewohnheits-Picker ist Opfer und Aggressor zugleich. Das ultimative Paradoxon ist: Der Gewohnheits-Picker ist das Opfer seines eigenen aggressiv-destrukiven Verhaltens. Das ist die verzwickte Wahrheit hinter dieser komplexen Störung.

Nicole Brown Simpson, verprügelt
Nicole Brown Simpson, verprügelt

In der Folgezeit ist klar geworden, dass Mrs Simpson im Stillen ihre Ängste der Welt mitteilte – in fast jedem öffentlichem Auftritt, den sie absolvierte. Wenn man jetzt Fotos der reizenden Mrs Simpson anschaut, ist evident, dass sie eine gewohnheitsmäßige Skin Pickerin war. Unglücklicherweise hat niemand diese Nachricht verstanden.

Es ist ein fast tragischer Gedanke: Wäre die Öffentlichkeit sich der Tatsache bewusster gewesen, dass das Zupfen an der Gesichtshaut ein Zeichen von emotionaler Angst und Schmerz ist, wären Nicole Brown Simpsons hektische Anrufe beim Notruf 911 und andere Zeichen von Bedrängnis vielleicht ernster genommen worden.

 

Link: Mitschnitt eines Notrufs von Nicole Brown Simpson wegen häuslicher Gewalt ihres Ehemanns

 

Mrs Simpson hatte eine zwanghafte Störung entwickelt, die sich bei ihr in gewohnheitsmäßigem Rupfen und Zupfen an der Gesichtshaut äußerte. Dies wurde aber zu jener Zeit lediglich als schlechte Angewohnheit angesehen – ein Mädchen-Problem. Heutzutage wird dieser fast unwiderstehlichen Gewohnheit das Haut-Pickens mehr Aufmerksamkeit gegeben und Gespräche über dieses Thema sind offener.

 

Betroffene sind nun eher bereit anzuerkennen, dass sie an der selben Störung leiden wie Mrs Simpson. Sie können der „schlechten Angewohnheit“ jetzt einen Namen geben, während es vorher eine Sache war, die von den meisten Leuten für nicht der Erwähnung wert befunden wurde. An der Haut rupfen – eine Krankheit?

 

Und Ärzte, vor allem Psychologen und Haut-Spezialisten, erkennen, dass dieser Zwang, an der Haut im Gesicht und an allen anderen Körperstellen zu rupfen, gefährlich ist. Und zugleich ein Zeichen tieferen emotionalen Aufruhrs, das möglicherweise eingehenderes Eingreifen nötig macht.

 

In der Tat ist zwanghaftes Haut-Zupfen jetzt klassifiziert als ein zwanghaftes Verhalten, das unter die Diagnose „Zwangsstörungen“ fällt. Andere Verhaltensweisen können diese Störung begleiten: zum Beispiel Nägelbeißen (Onychophagie) oder Haarzupfen (Trichotillomanie). Weitere können noch ernsthafter sein, sogar lebensbedrohlich.

 

Im Spektrum der zwanghaften Verhaltensmuster ist Skin Picking verbunden mit Magersucht (Anorexia nervosa), Autismus, Tourette-Syndrom und dem Münchhausen-Syndrom.

 

Erschwert wird die Diagnose von Skin Picking durch die Umstände, unter denen sich unterschiedliche Leute zum Zupfen genötigt fühlen. Stressige Situationen sind für manche der Auslöser. Andere scheinen sich ihres Knibbelns nicht bewusst zu sein, da es oft während einer „passiven Aktivität“ auftritt, während man geistig mit anderen (entspannenden) Dingen beschäftigt ist – zum Beispiel Fernsehen schauen, lesen oder sogar beim Autofahren.


Nicole Simpson
Aus der Dokumentantion der Strafverfolgung

Ausschnitt aus der Niederschrift der Simpson-Aussage, Text aus:

 

http://www.stoppickingonme.com/background_a04.php

 

Das Folgende ist eine Kopie der gefilmten Aussage von O.J. Simpson, aufgenommen von den Anklägern am Donnerstag, 25. Januar 1996. Sie wurden zum Zweck der besseren Lesbarkeit bearbeitet (zusammengefasst). Die Antworten stammen von O.J. Simpson.

 

Frage: Sie haben all diese Male in ihrem Gesicht verursacht, die Sie hier auf diesen Bildern sehen, nicht wahr?

 

Antwort: Manche können auch daher stammen, dass sie einfach an ihrem Gesicht gezupft hat. Aber wenn es blaue Flecken und so was sind: Für die bin ich selbstverständlich verantwortlich, ja.

 

Frage: Erzählen Sie mir, was passiert ist.

 

Antwort: Sie hat sich mit mir gestritten und sie lief aus dem Zimmer und ich verschloss die Tür ... der Streit begann und sie stand aus dem Bett auf – normalerweise fing es im Bett an. Sie stand auf und ging und ich vermute, was sie dann tat war: an ihrem Gesicht zupfen ("pick her face") und es dann sauber machen.

 

Frage: An ihrem Gesicht „zupfen“, was heißt das?

 

Antwort: Weiß ich nicht. Das macht sie jeden Abend. Frauen --- fragen Sie Ihre Ehefrau. Sie wird es Ihnen erklären.

 

Frage: Sie ging ins Badezimmer und Sie sahen, wie sie anfing, in ihrem Gesicht zu zupfen?

 

Antwort: Einmal habe ich es gesehen, ja.

 

Frage: Einmal, bevor sie aus dem Badezimmer kam, haben Sie gesehen, wie sie an ihrem Gesicht zupfte?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Und als Sie dann nach unten gingen, sahen Sie sie an ihrem Gesicht zupfen.

 

Antwort: Sie tat, was sie jeden Abend tat. Jeden Abend. Ihr Gesicht waschen und an ihrem Gesicht herumzupfen. Sie hat da so 'nen Fimmel.

 

Frage: Was heißt das, "sie zupfte an ihrem Gesicht"?

 

Antwort: Ich weiß nicht. Mitesser rausholen, Pickel drücken, diese Art von Zeug.

 

Frage: Wenn sie das jeden Abend machte, kam sie dann raus aus dem Badezimmer mit Malen in ihrem Gesicht?

 

Antwort: Manchmal sehr sichtbaren Malen, ja.

 

Frage: Male, die genau so aussehen wie irgendwelche von den Malen, die Sie auf diesem Fotos in ihrem Gesicht sehen?

 

Antwort: Ungefähr so wie dieses (zeigt es) neben ihrer Nase oder wie diese hier (zeigt wieder) auf ihrem Kinn. Ja, so sah sie ziemlich oft aus, nachdem sie in ihrem Gesicht gezupft hatte.

 

Frage: Was passierte, nachdem Sie gesehen hatten, dass sie an ihrer Haut zupfte?

 

Antwort: Ich ging raus und holte mir Wasser, dann stieg ich wieder ins Bett.