Ich fühle mich hässlich


J., 22, aus Dortmund

 

Alles fing an, als ich 14 Jahre alt war. Meine Eltern waren geschieden, seit ich 7 bin. Mir war nicht bewusst, wie sehr ich darunter litt. Ich bin auch schwerhörig, musste aber zur normalen Schule gehen. Dort wurde ich nicht akzeptiert, da ich eben nicht alles verstanden habe. Ich bekam Pickelchen im Gesicht und fing an zu kratzen. Aus kleinen Pickeln wurden große.

 

Ich wurde Mobbingopfer in der Schule, wurde geschlagen, ausgelacht, fertiggemacht. Als ich meine Pickel immer mehr vergrößerten, wurde ich noch unbeliebter. Mir erging es noch schlechter und ich fing an, an meinem Gesicht zu kratzen, bis alles blutig war. Mein Gesicht war völlig zerstört. Ich ging nicht mehr zur Schule und sperrte mich ein, und damit wurde auch mein Gesicht schlimmer.

 

Meine Mutter bemerkte nichts. Sie schimpfte mich immer: Warum ich nicht zur Schule gehe? Bis sie eines Tages vor mir stand und sagte „Oh mein Gott, was ist mit deinem Gesicht passiert?“ Ich sagte nur: „Glaubst du mir jetzt endlich, dass sie mich in der Schule mobben?“

 

Ich ging zur Therapie, einmal in der Woche, und kam in eine neue Schule mit Hörgeschädigten. Ich wiederholte die achte Klasse, machte meinen Abschluss nach – das war in meinem Leben mit die schönste Zeit.

 

Als ich die Schule verließ, war mein Gesicht total schön: kaum Pickelchen, Narben verblassten. Ich fühlte mich richtig wohl.
Doch als ich 18 Jahre alt war, fing alles wieder von vorne an: keine Arbeit, keine Ausbildung. Ich bekam Depressionen und mein Gesicht ist bis heute immer noch vernarbt.


Wenn ich vor dem Spiegel stehe, laufen mir die Tränen herunter. Ich verstehe nicht, wieso ich diesen Zwang habe. Ich fühle mich so hässlich. Heute bin ich 22 Jahre alt und zum ersten Mal erfahre ich, dass ich unter Skin Picking leide. Oft sprechen mich Leute darauf an, „was ich da im Gesicht habe“ oder warum ich das habe. Auf dieses Thema reagiere ich sehr empfindlich, weil es einen verletzt, weil man sehr gerne reine Haut möchte - aber nicht kann. Weil man einen Zwang hat. Leider kann man das niemandem erklären, weil die Leute dich für einen Pyscho halten. Ich bin geschockt, aber jetzt weiß ich endlich, was ich habe.


Mein Leben war immer sehr schwer, ich habe Therapien gemacht. Nur mir wurde nie gesagt, was ich mit meiner Haut habe. Jedes Mal höre ich nur: „Geh zum Hautarzt, der hilft dir weiter.“ Manche behaupten, es sei Akne. Das ist nicht wahr: Ich hab keine Akne, sondern leide unter Skin Picking.

 

Ich wünsche mir so sehr, diesen Zwang weg zu bekommen, um endlich wieder glücklich zu sein. Endlich neue Menschen kennen lernen. Endlich mich selbst wieder lieben können, ohne denken zu müssen, wie hässlich ich bin.

 

(Mai 2012)

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